Kapitalmarktbrief August: Harte Fakten
Die gute Nachricht zuerst: Inflationsraten sind weltweit im Rückwärtsgang – Der Gipfel der Inflation scheint in der Tat überschritten. Gleichzeitig wandert die Geldpolitik auf das Hoch ihres Leitzinsniveaus zu.
![]() |
Mit unserem Podcast-Angebot können Sie unseren monatlichen Kapitalmarktbrief hören - überall und jederzeit! Besuchen Sie uns einfach auf Soundcloud. |
Dies verdeutlichen vor allem die jüngsten Zinsanhebungen der USNotenbank Federal Reserve (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB), auch wenn das Ende wohl noch nicht ganz erreicht ist. Die Gesamtsicht zeigt die Geldpolitik in wichtigen Regionen der Welt weiter im Straffungsmodus, wobei die aufstrebenden Länder Asiens interessanterweise demnächst in andere Richtung gehen dürften.
Was Anzahl und Höhe der Zinsschritte betrifft, so scheint sich der Markt weitestgehend einig zu sein, zumindest im Hinblick auf die Errechnung der Zinserwartungen aus den Geldmarktsätzen. Zu Überraschungen könnte es allerdings noch kommen, wenn es darum geht, wie lange die Leitzinssätze ohne Senkung beibehalten werden.
Wir stehen dabei auf der skeptischen Seite und stellen uns auf ein „höher für länger“ ein. Wichtigster Grund: Die Inflation dürfte sich als hartnäckiger erweisen als gemeinhin angenommen. Sicher haben die rückläufigen Energiepreise und die Normalisierung der Lieferketten zu einem nachlassenden Inflationsdruck beigetragen. Sorgen bereiten aber nach wie vor die Kernraten in vielen Ländern, also jener Teil des Warenkorbs, der nicht unmittelbar mit Energie- und Nahrungsmittelpreisen zusammenhängt. Gerade hier gilt es die Inflationserwartungen nachhaltig zu brechen.
So oder so, eine Geldpolitik, die nahe ihres Hochpunkts im geldpolitischen Zyklus angekommen ist, lässt erwarten, dass sich das Augenmerkt wieder stärker auf die realökonomischen Daten verschiebt. Die Frage „Rezession – ja oder nein“ ist dabei noch nicht ausgestanden. Die globalen Einkaufsmanagerindizes für die USA, den Euroraum, das Vereinigte Königreich und China sind zwar alle nach unten geneigt, weisen aber bisher keine rezessive Entwicklung auf Sicht der nächsten Monate aus. Aber die Abschwächung ist da: Der globale Einkaufsmanagerindex zeigt allein für das verarbeitende Gewerbe bereits eine rezessive Tendenz an, die auf das Dienstleistungsgewerbe schnell überspringen kann.
Eine Rezession selbst dürfte weniger eine Überraschung werden. Der überwiegende Teil der von der Bank of America befragten Fondsmanager weltweit erwartet eine Rezession zum Ende diesen oder zum Anfang nächsten Jahres. Nur ein kleiner Teil prognostiziert sie erst auf längere Sicht. Das unterstellte Szenario gleicht einer sanften Landung, also eines nur kurzen Aufsetzens der Weltkonjunktur, bevor sie wieder durchstartet. Dies muss aber zunächst durch harte Fakten bestätigt werden.
Was umso wichtiger wird, da die Bewertungen am US-Aktienmarkt, gemessen z.B. am um Konjunkturschwankungen adjustierten Shiller-Kurs-GewinnVerhältnis, immer noch als ambitioniert eingestuft werden können. Die zukünftigen Gewinne müssen diese Bewertungen erst noch rechtfertigen. Dabei fällt auf, die sich aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergebenden Unternehmensgewinne laufen den Gewinnen der S&P 500-Unternehmen hinterher. In der Vergangenheit war das immer ein kritisches Signal.
Das legt folgende taktische Allokation für Aktien und Anleihen nahe:
- Wer aus strategischer Sicht seinen Aktienanteil im Portfolio überdenkt, sollte eine dauerhaft erhöhte Inflationsrate in sein Kalkül miteinbeziehen. Das rät einen Ausbau des Aktiensegments an, da insgesamt mehr Realrendite benötigt wird.
- Aus taktischer Sicht, also wenn es um die zeitweisen Anpassungen und um die langfristige Allokation geht, erscheint aktuell mehr Vorsicht angebracht.
- Am Horizont zeichnet sich eine Rezession ab.
- Aus Bewertungssicht zeigen sich zumindest US-Aktien, gemessen z. B. am um Konjunkturschwankungen adjustierten Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis, immer noch als ambitioniert bewertet.
- Aktien der Eurozone haben ein neutrales Niveau erreicht. Aktien des Vereinigten Königreichs und der aufstrebenden Länder können als preiswert eingestuft werden.
- Die Marktentwicklung in jenen Ländern wird sich aber kaum von der Entwicklung in den USA entkoppeln können, die stark von einigen der „großen Namen“ im Technologiesegment geprägt wird.
- Aus Bewertungssicht erscheint bei den „großen Namen“ im Technologiesegment Vorsicht angebracht. Gemäß Umfrage der Bank of America ist dies unter den Fondsmanagern weltweit der beliebteste, am meisten übergewichtete „Trade“, was zeigt wie viel Fantasie bereits enthalten ist. Diese muss aber erst noch durch Gewinnsteigerungen gerechtfertigt werden.
- „Fantasie“ zeigt sich am Markt auch in weiter hoher Bewertung, wenn die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der im S&P 500 enthaltenen Firmen auf Basis der für die nächsten 12 Monate erwarteten Gewinne in Relation zur Volatilität gesetzt werden. Dieses Maß, das für die Risikobereitschaft steht, liegt von Anfang der 1990er Jahre gemessen aktuell um mehr als eine Standardabweichung über dem Periodendurchschnitt.
Investmentthema: Risiko & Rendite
- Die Niedrig-/Negativzinsphase ist vorbei. Bei Anleihen gibt es (endlich) wieder einen Kupon zu verdienen. Eine ganze Vermögensgattung, die Anleihen, ist endlich wieder „da“.
- Wer jedoch auf die Realrendite schaut, also auf das, was nach Abzug der Inflation von der Nominalrendite bleibt, und sich dabei auf eine längere Phase erhöhter Inflation einstellt, zu der u. a. Deglobalisierung und Dekarbonisierung beitragen sollten, wird sich fragen, ob er strategisch nicht Anlageformen mit einer höheren Renditeerwartung beimischen sollte.
- Wer mehr Rendite will, muss aber auch bereit sein, mehr Risiken einzugehen.
- Die strategische Perspektive setzt dabei nicht an der schnellen, kurzfristig orientierten Taktik an, sondern fragt, wie das Portfolio langfristig ausgerichtet sein soll. Um die strategische Allokation herum können dann taktische Anpassungen vorgenommen werden.
- Aus strategischer Sicht ist der Blick in die Vergangenheit interessant.
- Auf Basis langer Datenreihen1 zeigt sich: Von 1801 bis 2022 haben US-Staatsanleihen im Durchschnitt der Jahre 3,3 % Rendite erbracht. US-amerikanische Aktien erzielten 6,88 %. Die Risikoprämie von 2,84 % machte den Unterschied. Ein US-Dollar zu Beginn der Reihe investiert, hätte in Anleihen etwas mehr als 1.300 USDollar gebracht. In Aktien wären daraus mehr als 2,4 Mio. US-Dollar geworden. Diese lange Zeitphase überdauert natürlich niemand, aber interessant ist auch: Mit Ausnahme von zwei Fällen haben Aktien in allen 30-Jahreszeiträumen eine Risikoprämie erwirtschaftet. 30 Jahre sind z. B. ein Zeitraum, der für die eigene Altersvorsorge genutzt werden kann.
- Die frühere Wertentwicklung lässt nicht auf zukünftige Renditen schließen, sie kann auch nicht über die vor uns liegenden Risiken hinwegtäuschen. Aber sie bestätigt: Für das „Zittern“ gab es in der Vergangenheit auch eine „Zitterprämie“.
Positive harte Fakten wünscht
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director, Global Capital Markets & Thematic Research
Erfahren Sie mehr in der aktuellen Ausgabe des Kapitalmarktbriefs.
1 Quellen: Jeremy Siegel database 1801 - 1900 & Elroy Dimson, Paul Marsh, and Mike Staunton 1900 – 2009, Datastream , Allianz Global Investors Capital Markets & Thematic Research; Stand: Dezember 2022.
-
Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und Erträge daraus können sinken oder steigen. Investoren erhalten den investierten Betrag gegebenenfalls nicht in voller Höhe zurück. Die dargestellten Einschätzungen und Meinungen sind die des Herausgebers und/oder verbundener Unternehmen zum Veröffentlichungszeitpunkt und können sich – ohne Mitteilung darüber – ändern. Die verwendeten Daten stammen aus verschiedenen Quellen und wurden zum Veröffentlichungszeitpunkt als korrekt und verlässlich bewertet. Bestehende oder zukünftige Angebots- oder Vertragsbedingungen genießen Vorrang. Dies ist eine Marketingmitteilung herausgegeben von Allianz Global Investors GmbH, www.allianzgi.de, eine Kapitalverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, gegründet in Deutschland; Sitz: Bockenheimer Landstr. 42-44, 60323 Frankfurt/M., Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt/M., HRB 9340; zugelassen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de). Die Zusammenfassung der Anlegerrechte ist auf Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch unter https://regulatory.allianzgi.com/en/investors-rights verfügbar. Die Vervielfältigung, Veröffentlichung sowie die Weitergabe des Inhalts in jedweder Form ist nicht gestattet; es sei denn dies wurde durch Allianz Global Investors GmbH explizit gestattet.
#3028197